Andreas Huckele
Andreas Huckele (*1969) lebt in Frankfurt und ist Autor, Lehrer und Systemischer Supervisor, er besuchte in den 1980er Jahren die reformpädagogische Odenwaldschule im hessischen Ober-Hambach. Für sein Buch „Wie laut soll ich denn noch schreien? – Die Odenwaldschule und der sexuelle Missbrauch“ erhielt er im Jahr 2012 den Geschwister-Scholl-Preis.
Die Mechanismen in den Organisationen, in denen Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt erfahren, weisen große Parallelen zueinander auf. Dabei ist es nachrangig, ob es sich um Institutionen liberal-weltlicher oder konfessionell-autoritärer Ausrichtung handelt. Die Erfahrungen, die von den Betroffenen sexualisierter Gewalt in der Konfrontation mit den Täterorganisationen gemacht wurden, weisen ebenso eine hohe Parallelität zueinander auf. Der Vortrag stellt die Vorgehensweisen vor, die für die Agenda der Betroffenen zweckmäßig waren und zeigt, welche Sackgassen und erneute Beschädigungen vermieden werden können.
a. Univ.-Prof. Dr. Michael John
Michael John (*1954) Studium der Geschichte und Politikwissenschaft in Wien, zwei Jahre Sozialarbeiter in Jugendzentren der Stadt Wien, danach Historiker in diversen Jobs. Seit 2001 ao. Univ.Prof. am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Linz. Themenschwerpunkte: u.a. Sozialgeschichte der Unterschichten, Populärkultur, Migration. Tätig u.a. in der Historiker-kommission der VÖEST (NS-Zwangsarbeit), Historikerkommission der Republik Österreich („Arisierung“, Restitution), Provenienzforschung Oberösterreichs (OÖ Landesmuseen). Seit 2005 Arbeit an den Themen „schwarze Pädagogik“ und Geschichte der Heimerziehung; 2006 Kurator der Ausstellung, Herausgeber des Katalogs „Wannst net brav bist, kommst ins Heim“. Seit 2011 seitens der oö Landesregierung mit der regionalen Untersuchung der Geschichte der Heimerziehung beauftragt (gem. mit Dieter Binder), ebenfalls seit 2011 Mitglied der Kommission Wilhelminenberg (unter der Leitung von Barbara Helige, mit Helge Schmucker und Gabriele Wörgötter).
Warum Historische Aufarbeitung? Zur wissenschaftlichen Untersuchung von Gewalt und Heimunterbringung in Oberösterreich und Wien
Erst nach starkem medialem Druck und durch eine öffentliche Debatte setzte sich in den meisten österreichischen Bundesländern die Ansicht durch, dass man die Geschichte fremdplatzierter Kinder und Jugendlicher in der Zweiten Republik genauer untersuchen solle. In einigen Regionen ist dies allerdings nach wie vor nicht der Fall. Auch in Deutschland und der Schweiz ist eine ähnliche Entwicklung zu konstatieren. In diesem Beitrag werden in erster Linie die Gründe für eine Aufarbeitung ebenso wie die wesentlichen Eckpunkte der Geschichte der Heimerziehung und der Heimkinderfahrungen im Land Oberösterreich nach 1945 referiert.
Es liegen sowohl bereits einige Jahre alte Forschungsergebnisse vor, als auch auf das laufende Projekt „Heimerziehung in Oberösterreich nach 1945“ im Auftrag der Oberösterreichischen Landesregierung verwiesen wird. In diesem Zusammenhang werden sowohl eine ´Strukturelle Ebene´ ebenso wie die ´Ebene der Erfahrungen´ thematisiert. Letztere steht eng im Zusammenhang mit Personen, die als Kinder oder Jugendliche in verschiedener Form Fremdunterbringung erlebten, es konnte aber auch die Erfahrungsebene auf Seiten des Personals (Erzieher und Erzieherinnen, Fürsorgerinnen, Beamtenapparat) einbezogen werden. Daran schließt eine Untersuchung, wie sich die Situation der Heimkinder und die Vorgangsweise des Personals in den behördlichen Akten darstellt. Ein Abriss der angenommenen ´Ursachen von Gewalt in der Heimerziehung´ schließt an, in weiterer Folge wird auch die Entwicklung der Heimerziehung nach 1989, dem Zeitpunkt des absoluten Gewaltverbots in der Erziehung, skizziert.
Im Jahre 2011 wurde in Wien eine spezifische „Kommission Wilhelminenberg“ eingerichtet. Da der Referent Mitglied dieser Kommission ist, wird im Anschluss an die Heimkindheiten in Oberösterreich auch über den Fortgang der Arbeiten in Wien berichtet. Die Arbeit der interdisziplinär zusammengesetzten Untersuchungskommission unterscheidet sich in etlichen Punkten von einem „klassischen“, wissenschaftlichen Forschungsprojekt und hat die Vorgänge in diesem Heim zum Inhalt ebenso wie die Strukturen, in die es eingebunden war. Die Frage der Verantwortlichkeiten ist in diesem Zusammenhang von großem Interesse. Dies stößt in der Beforschung durchaus auf gravierende methodische Probleme. Interviews, Akteneinsicht und investigative Recherchen sollen zu einem dichter werdenden Gesamtbild der Geschehnisse beitragen. Recherchen wie Gespräche mit Experten und Expertinnen aus der Psychiatrie, Medizin, Pädagogik, Justiz und Polizei ergänzen die Sichtweise der Kommission und fließen in die Forschungsergebnisse ein.
Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer
Alois Birklbauer (*1965), Institut für Strafrechtwissenschaften der Johannes Kepler Universität Linz. Leiter der Abteilung der Praxis für Strafrechtswissenschaften und Medizinstrafrecht.
Die Verjährung von Delikten zur Herstellung des Rechtsfriedens: Sinnvolle Regelung oder Provokation der Opfer?
Die Verjährung zur Herstellung des Rechtsfriedens hat eine schon lange Tradition. Sie steht in einem gewissen Spannungsfeld zur „Opfergerechtigkeit“. Deshalb hat der Gesetzgeber die Verjährungsfrist bei Gewalt- und Sexualdelikten gegen junge Menschen in den vergangenen Jahren schrittweise erweitert. Das Referat wird zunächst diese Veränderungen darstellen und dann der Frage nachgehen, ob diese Erweiterungen unter rechts- und kriminalpolitischen Überlegungen sinnvoll waren. Scheint diese Frage auf den ersten Blick positiv beantwortbar, ist doch kritisch anzumerken, dass bei lange zurückliegenden Straftaten die Beweislage oft schlecht ist, und der nach allgemeinen juristischen Gesichtspunkten unumgängliche „Freispruch im Zweifel“ die Opfer neuerlich stigmatisiert. Vor diesem Hintergrund stellt sich schlussendlich die Frage, ob nicht andere Wege als Strafverfahren gefunden werden sollen, den „Rechtsfrieden“ für die Opfer in annehmbarer Weise herzustellen.
Prim. Dr. Heidi Kastner
Heidi Kastner (*1962) promovierte 1986 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Nach Abschluss ihrer Facharztausbildung in Psychiatrie und Neurologie 1998 nahm sie eine Tätigkeit im psychiatrischen Konsiliardienst der Justizanstalt Garsten, später dann an den Justizanstalten Linz und Steyr auf. 1999 baute Kastner die Forensische Nachbetreuungsambulanz Linz (FORAM) auf, es folgten später die Ambulanzen und Salzburg und Amstetten. Für die Justizanstalt Wels entstand 2003 unter Kastners Leitung eine forensische Abteilung. 2005 wurde sie zur Primaria der neu geschaffenen forensischen Abteilung an der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg in Linz bestellt. Zusätzlich übernimmt Heidi Kastner Gutachtertätigkeiten vor allem im Bereich des Strafrechts, unter anderem im Fall Mandorfer.
Sexueller Missbrauch ist beileibe kein neues Phänomen.
Neu ist vielmehr die Enttabuisierung des Themas, die den Opfern die Anzeige auch lange zurückliegender Übergriffe erleichtert, neu ist der Konsens betreffend Schädigungspotential der Missbrauchshandlungen, neu ist freilich auch der Furor, mit dem das „gesunde Volksempfinden“ dem Täter begegnet. Wie bei allen emotional geführten Debatten droht auch hier die Differenziertheit und Fachlichkeit ins Hintertreffen zu geraten; beides sind aber Faktoren, die wesentlich sind im Sinne effizienter Prävention und vernünftiger Aufarbeitung.
So differenziert sich die Gruppe der Täter aus fachlicher Sicht darstellt, so erstaunlich sind die Parallelen der Missbrauchssysteme, sowohl im familiären als auch im institutionellen Bereich. Der Vortrag beleuchtet beide Themenkomplexe und nimmt dabei auch Bezug auf deren jeweiliges Schädigungspotential.
Univ.-Prof. Dr. Josef C. Aigner
Josef Christian Aigner (*1953) geboren in Grieskirchen, OÖ., aufgewachsen in Neumarkt im Hausruckkreis und von 1963 bis 1971 im Internat des Stiftes Kremsmünster. Professor für Psychoanalytische Pädagogik und psychosoziale Arbeit an der Universität Innsbruck. Studium der Psychologie und Pädagogik an der Universität Salzburg. Psychoanalytiker und Psychotherapeut, Schwerpunkt Sexualtherapie.
Pädagogischer Eros, Autoritarismus und Psychopathologie in der langen Geschichte der Heimerziehung
Dieser Vortrag soll zeigen, dass das, was in Kremsmünster und anderswo passiert ist, seit jeher in der Geschichte der Heimerziehung passiert, dass wir aber unter den veränderten historischen Bedingungen und mit Hilfe pädagogischer Professionalität die Chance haben, es abzustellen und endlich aufzuarbeiten. Wer von den Verantwortlichen in den betroffenen Institutionen dies verabsäumt, macht sich erneut schuldig, diese Chance verstreichen zu lassen.
Mag. P. Maximilian Bergmayr
P. Maximilian Bergmayr (*1968) Gymnasium Kremsmünster, Studium am Mozarteum in Salzburg, Studium der Theologie in Salzburg, Studium der Germanistik, Anglistik, Philosophie und Psychologie in Salzburg und den USA. Eintrittsjahr ins Stift Kremsmünster 1989, Priesterweihe 1995. Gymnasialprofessor im Stiftsgymnasium Kremsmünster in den Fächern Englisch, Philosophie und Psychologie. Koordinator der wissenschaftlichen Aufarbeitung im Stift Kremsmünster.
Schuld, Scham, Hoffnung
Als Mitglied der Klostergemeinschaft möchte ich sagen: Mit dem heutigen Blick in die Vergangenheit des Klosters kommen Schuldgefühle hoch, die betroffen machen und deren Hintergründe angeschaut werden müssen. „Schuld“
ist ein komplexer Begriff, der eng mit „Scham“ verknüpft ist. Gibt es etwas zu verbergen? Die Gegenwart ist die Zeit, in der Vergangenes wahrgenommen und angenommen werden kann, und in der man nach vorne schaut. Mit dem
Begriff „Hoffnung“ wird gewagt, in eine Zukunft zu schauen, die von der Vergangenheit weiß und, so weit menschlich möglich, Schritte setzt, um Leid zu verhindern.
Mag. Jürgen Öllinger
Jürgen Öllinger (*1968) Matura 1984 am Stiftsgymnasium Kremsmünster. Bis 1990 in Basel, Tübingen und Kampen/NL evangelische Fachtheologie studiert. Bis 1992 Lehrvikariat in der Flüchtlingspfarrstelle Traiskirchen. Bis 1993 Ausbildung im Amt für Hörfunk&TV in Wien. Bis 2000 Pfarrer in Traiskirchen. Bis heute: Evangelischer Pfarrer und Religionslehrer in Villach
Der Mühlstein um den Hals. Eine theologische Betrachtung zum Umgang mit Kindern.
Jesus sagte über die Arbeit mit Kindern: „Wer einem dieser Kleinsten Übles antut, für den ist es besser, wenn er einen Mühlstein um den Hals legt und ins Wasser geht.“ Dieses harte Jesus-Wort soll den Schutz erhöhen, den die jüngsten Menschen zu Recht einfordern dürfen. Unsere Gesellschaft geht hart mit den Kindern um. Auch in theologisch-seelsorglicher Hinsicht werden sie auf weite Strecken von der Gesellschaft, also Eltern, Lehrern, Betreuern, in ihrer Entwicklung allein gelassen oder missbraucht. Dieses Impulsreferat soll einerseits dafür sensibel machen, andererseits mögliche Auswege aufzeigen.